Erst zwei Wochen ist es
her, dass die FDP auf ihrem Bundesparteitag in Mannheim ein mutiges, liberales
Programm beschlossen hat. Das Programm einer weltoffenen, modernen Partei, die
auf Freiheit und Verantwortung setzt, ein Programm, das eine Kampfansage an
Vorurteile, Populismus und Besitzstandsdenken ist, ein Programm, das
Verkrustungen in unserer Gesellschaft aufbrechen und den Weg frei machen soll
für eine Gesellschaft, die von Verantwortung des Einzelnen, von Kreativität, von
sozialer Verantwortung und von aktiver Toleranz geprägt ist. Ein Haider oder die
Epigonen eines Fortuyn könnten mit diesem Programm nichts anfangen. So wenig wie
Liberale mit deren Vorstellungen.
Liberale Politik bedeutet Kampfansage gegen Vorurteile, dem Gift für das
friedliche Zusammenleben: in der Gesellschaft, aber auch zwischen den Völkern.
Die Anerkennung von Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit macht den Erfolg der
europäischen Einigung aus. Nur so war es möglich, nach dem Zweiten Weltkrieg
einen neuen Anfang zwischen den Völkern Europas zu machen. Liberale Politik ist
gerade in dem Wissen um das Gift von Vorurteilen eine Kampfansage an Emotionen,
die von Vorurteilen geprägt sind. Darin liegt von fundamentalen Unterschieden in
der Sache abgesehen die Grenzlinie zwischen Liberalen und Rechtspopulisten. Hier
geht es um die Grundachse der Republik.
Liberale Politik bedeutet Emanzipation des mündigen Bürgers zu Freiheit und
Verantwortung. Rechtspopulismus dagegen bedeutet Emanzipation von dieser
Verantwortung und damit im Endergebnis auch von dem Wertekatalog unseres
Grundgesetzes, v. a. seinem alles überragenden Artikel 1, der feststellt: „Die
Würde des Menschen ist unantastbar“, und das heißt jedes Menschen. Artikel 1 GG
ist keine gnädige Gewährung des Staates, sondern jedem Menschen eingeboren. Von
dem großen Liberalen Thomas Dehler stammt das Wort: „Der Mensch hat seine Würde
als Ebenbild Gottes, als Träger einer unsterblichen Seele, als einmalige,
unverwechselbare Persönlichkeit. Diese Würde im irdischen Leben zu wahren, ist
unsere Verpflichtung." Das in Mannheim beschlossene Wahlprogramm ist eine
Standortbestimmung der FDP als der liberalen Partei in Deutschland. Wer eine
andere FDP will, hätte das in Mannheim sagen müssen. Wer nachträglich etwas
ändern will, soll die Entscheidung auf einem Bundesparteitag suchen. Denn nur
das unverwechselbare Profil von Mannheim legitimiert auch den Anspruch der
freien Demokraten , mit einem eigenen Kanzlerkandidaten in die Bundestagswahl zu
gehen.
Mannheim hat eine klare Entscheidung auch zur Nahost-Politik und zu unserem
Verhältnis zu Israel getroffen, für eine Politik, die liberale Außenminister 29
Jahre geprägt haben. Sich kritisch zu äußern zur Politik der Staaten der Region
– Israel eingeschlossen –, war dabei immer selbstverständlich. Das bedarf nicht
der gebetsmühlenhaften Wiederholung, und es hat übrigens auch nie unsere
Beziehungen zu Israel belastet.
Auch nicht die Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland unter liberaler
Verantwortung als erster westlicher Staat 1974 das Selbstbestimmungsrecht des
palästinensischen Volkes vor den UN anerkannt hat. Denn Liberale garantierten
und garantieren dafür, dass zur Staatsräson unseres Landes die Anerkennung des
Existenzrechts Israel in sicheren Grenzen und die Annahme unserer Verantwortung
aus der Geschichte unseres Volkes gehören. Diese Verantwortung ist bleibend
formuliert in der historischen Rede, die Bundespräsident Richard von Weizsäcker
zum 40. Jahrestag des Kriegsendes in Europa, am 8. Mai 1985 im Deutschen
Bundestag gehalten hat.
Was damals gesagt wurde, gilt fort.
Es ist der Geist von Mannheim, in dem sich die FDP für den Bundestagswahlkampf
stellt. Es ist der mutige Entwurf für eine bessere Zukunft unseres Landes aus
liberaler Grundüberzeugung. Populismus und taktische Erwägungen duldet er nicht.
Auf einen solchen liberalen Entwurf warten viele Bürgerinnen und Bürger in
unserem Land.
Der Autor ist Ehrenvorsitzender der FDP und war von 1974 bis 1992
Bundesaußenminister.